Bebauung

Foto E. Spielmann

Wofür werden 6,4 ha gewerblicher Baugrund benötigt?

Leider fehlt bisher eine begründete, offizielle Information, wofür die 6,4 ha zu beplanende Fläche am Schriesheimer Hof vorgesehen werden sollen. Zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan zur gewerblichen Nutzung des Geländes war nur von „einer langfristigen Sicherung der Nahversorgung im Ort“ und einem „Park- und Ride-Parkplatz mit Carsharing und Fahrradstationen (Mobilitätsstation)“ die Rede. In späteren Veröffentlichungen der Gemeinderatsfraktionen wurde dann ein „Ärztehaus mit Praxen für Therapeuten, Pflegedienst etc.“ erwähnt und schließlich kam auch noch zu schaffender Wohnraum entlang der Schriesheimer und Altenbacher Straße dazu. Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 24.11.2020, in der der Aufstellungsbeschluss für das Baugebiet „Schriesheimer Hof“ gefasst wurde, lässt sich aber nachlesen, dass sowohl der Vorsitzende als auch das Planungsbüro eine Wohnhausbebauung ausdrücklich ausgeschlossen hatten: „Der Vorsitzende stellte an dieser Stelle noch einmal klar, dass Wohnbebauung für dieses Gebiet nicht angedacht sei.“ Und dies aus gutem Grund, ist doch ein Anschluss an die Kanalisation nur über Hebeanlagen realisierbar.
Offensichtlich sind sich die Gemeindeorgane über eine Gesamtkonzeption nicht im Klaren und versuchen darüber über sich ständig wandelnde Vorschläge zur Nutzung des Gebietes, begleitet mit Worthülsen, wie dem „Schlafdorf“ Wilhelmsfeld, dem mit einer „positiven Gestaltung von Wirtschaft und Umwelt“ zu begegnen sei, hinweg zu täuschen. Oder ist mehr vorgesehen, das unerwähnt bleiben soll?
„Was letztendlich an Entwicklungspotentialen … gehoben werden kann, müssen die Interessen von Eigentümern und potentiellen Unternehmern zeigen.“
Diese Formulierung in der ersten Stellungnahme einer Gemeinderatsfraktion gibt zumindest zu denken.
Zum Bedarf eines P&R-Parkplatzes, eines Ärztehauses und dem verschiedentlich aufgeführten Argument der Erfordernis zusätzlicher Gewerbesteuereinnahmen folgen hier unsere Einschätzungen.

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Ein P&R-Parkplatz macht noch keine Verkehrswende und kein Klimaschutzkonzept

Erstaunlicherweise wird von einer Gemeinderatsfraktion mit dem Klimaschutz für Bodenversiegelung argumentiert. Ein Park&Ride-Parkplatz auf den Wiesenflächen soll entlegener wohnenden Wilhelmsfeldern, aber auch den Autofahrern entfernter Odenwaldorte als Abstellplatz für ihre Fahrzeuge vor dem Einstieg in die Busse nach Heidelberg und Mannheim dienen. Dafür sollen klimatisch wertvolle Grünlandflächen versiegelt werden.

Für einen Supermarkt ist eine größere Anzahl Parkplätze vorgeschrieben, gemeinsam mit einem P&R-Parkplatz entstünde eine riesige versiegelte Fläche, deren Entwässerung allein ein Problem darstellt. Ferner stellt sich die Frage, ob die Verkehrsprobleme Heidelbergs und Mannheims in Wilhelmsfeld gelöst werden müssen, und das ohne übergreifendes Raumordnungskonzept. Am Langen Kirschbaum steht unter der Woche eine große Parkfläche für Berufspendler nach Heidelberg zur Verfügung, in unmittelbarer Nähe einer Bushaltestelle.

Zudem ist zu beachten: Vor Einrichtung eines P&R-Parkplatzes muss erst die Taktverdichtung der Busverbindungen in die Ebene garantiert und ein Bürgerbus installiert sein, der entlegene Ortsteile an die Haltestellen des ÖPNV anbindet. Damit kann der Individualverkehr schon bedeutend eingeschränkt werden.
Bei den Sondierungsgesprächen für die neue Landesregierung wurde eine bessere ÖPNV-Anbindung des ländlichen Raums bereits festgelegt. Für Wilhelmsfeld ist ein Bürgerbus als Zubringerbus für die „letzte Meile“ die bessere ökologische und soziale Alternative, auch für Jugendliche und Ältere, die nicht mit dem PKW unterwegs sind. Dezentrale Parkmöglichkeiten bei der Autohalle, dem Rathaus und entlang der Altenbacher Straße reichen für jene aus, die dennoch den PKW bevorzugen. Wichtiger sind überdachte Fahrradboxen zur sicheren Verwahrung von Elektrorädern und anderen Fahrrädern an den zentralen Haltestellen, wie sie der Jugendbeirat bereits angeregt hat.

Klimaschutz soll hier städtebauliche Planung rechtfertigen, für die wertvolle Natur und Landschaft geopfert werden.

Die Bürgerinitiative B.I.S. betrachtet den Klimaschutz vor Ort aber nicht unabhängig vom Natur- und Bodenschutz. Es gilt – und dies nicht nur in diesem Fall – zu verhindern, dass die großen Aufgaben unserer Zeit, nämlich Klimaschutz und Naturschutz, gegeneinander ausgespielt werden.

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Die medizinische Versorgung ist zufriedenstellend

Wenn ein Medizinisches Versorgungszentrum ins Gespräch gebracht wird, sollte das auch mit einer belastbaren Bedarfsanalyse begründet werden, um nicht als bloßes Aushängeschild später eventuell nicht erfüllbare Wünsche hervorzurufen. Wurden mit den ortsansässigen Ärzten und Zahnärzten bereits Gespräche geführt, ob für eine Vergrößerung ihrer Praxisräume Bedarf besteht oder sie überhaupt Interesse an einem gemeinsamen Versorgungszentrum haben? Nach unseren Kenntnissen nicht!
Auch ein Bedarf an zusätzlicher praxisärztlicher Versorgung im Ort besteht nicht. Wir erinnern dazu an das Experten-Hearing zur Gesundheitsversorgung in Wilhelmsfeld am 17.01.2019. Damals wurde einvernehmlich festgestellt und vom Bürgermeister besonders hervorgehoben, dass die praxisärztliche Versorgung in Wilhelmsfeld als sehr zufriedenstellend zu bewerten ist. Die Bürgergemeinschaft Wilhelmsfeld hat damals zudem darauf hingewiesen, dass die Bevölkerung mit der ärztlichen Versorgung sehr zufrieden sei, wie aus ihrer eigenen Umfrage hervorgegangen war.

Hören Sie dazu die Meinung der Betreiberinnen des bestehenden MVZ in Wilhelmsfeld, Frau Dr. Barbara Zahn und Frau Rupp in unseren Podcasts

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Fragliche Gewerbesteuereinnahmen

Von der Mehrheit der Gemeinderatsfraktionen wird die Verbesserung der Haushaltssituation als Argument für die gewerbliche Bebauung ins Feld geführt, da mit den Gewerbesteuereinnahmen die Infrastruktur des Ortes wie Schule, Kinderbetreuung, Spielplätze, Sporthalle, Straßensanierung usw. erhalten werden könne. Wir bezweifeln stark, dass über die zu erwartende Gewerbesteuereinnahme eines Supermarktes irgendwelche Infrastrukturmaßnahmen über die Erschließung des Gewerbegebietes hinaus finanziert werden können.
Die übergeordneten Bauleitpläne wie Regionalplan und Flächennutzungsplan beschränken die bauliche Entwicklung in Wilhelmsfeld ohnehin zwingend auf den örtlichen Eigenbedarf, im Falle der gewerblichen Bebauung also auf ortsansässige Betriebe. Die Ansiedlung fremden Gewerbes ist damit nicht zulässig: Somit ist mit keinen zusätzlichen Einnahmen aus gewerblicher Bebauung zu rechnen, die zudem immens sein müssten, um den Finanzierungsbedarf infrastruktureller Maßnahmen zu
decken. Insbesondere die dringend notwendige Sanierung der Straßen in Wilhelmsfeld, welche die Freien Wähler immer wieder und durchaus nachvollziehbar mit 1,5 Mio. EUR pro Straßenkilometer
beziffern, kommt ihrer Realisierung mit den wenigen zusätzlichen Steuereinnahmen keinen Schritt näher.

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